Vor kurzem haben wir darüber geschrieben, dass sich die Wirtschaft im deutschen Mittelstand nach einem Jahr langsam, aber kontinuierlich, erholt. Der Mittelstand zeigte sich erstmals optimistisch. Weitere positive Aussichten verzeichnete nun Tradeshift im Index of Global Trade Health, welcher Transaktionsdaten zwischen Käufern und Lieferanten analysiert, mit Daten zum ersten Quartal und stabile Prognosen zum zweiten Quartal für 2021. Das Ergebnis: ein starkes und steigendes Auftragsvolumen. Doch nicht alle Rechnungen können beglichen werden. Wir haben die Ergebnisse für Sie zusammengefasst.
Worum geht es?
Laut dem aktuellen Index of Global Trade Health von Tradeshift ist das Auftragsvolumen im ersten Quartal um 16,9 %, im zweiten Quartal sogar um 35 %, weltweit gestiegen. Die Belastung der Lieferketten ist bei den Herstellern besonders akut. Im März stieg das Auftragsvolumen im gesamten Sektor im Vergleich zum Vorjahr um 80 %, das Rechnungsvolumen wuchs im gleichen Zeitraum jedoch nur um 20 %.
Die sich abzeichnende Diskrepanz zwischen Aufträgen und Rechnungen deutet darauf hin, dass das Betriebskapital nicht an die Zulieferer fließt, um den plötzlichen Anstieg der Kundennachfrage zu decken. In einer Umfrage unter Lieferanten stellte Tradeshift fest, dass fast ein Drittel der Befragten in den letzten sechs Monaten eine Verschlechterung ihrer Cashflow-Position festgestellt hat. Fast die Hälfte gab an, dass die Zahl der verspäteten Kundenzahlungen seit Anfang des Jahres zugenommen hat und jeder fünfte befragte Zulieferer gab an, dass er Schwierigkeiten hat, die steigende Nachfrage zu bewältigen.
Zweites Quartal: Auftragsvolumen steigt weiter an
Das Gesamtauftragsvolumen stieg im zweiten Quartal um 35 % im Vergleich zum Vorquartal. Im Gegensatz dazu stieg die Zahl der bearbeiteten Lieferantenrechnungen im gleichen Zeitraum nur um 2 % und lag damit deutlich unter der Rate der vorangegangenen Quartale.
Je mehr sich diese Lücke vergrößert, desto schwieriger wird es für die Lieferanten, ausreichende Reserven aufzubauen, um neue Aufträge zu erfüllen. Die Daten deuten darauf hin, dass dieses Ungleichgewicht in den Lieferketten in der Eurozone besonders akut ist, wo das Auftragsvolumen im zweiten Quartal um 62 % stieg, während die Gesamtzahl der Rechnungen im gleichen Zeitraum nur um 8 % zunahm.
Globale Lieferketten haben Schwierigkeiten mit dem Auftragsvolumen
Jüngste Daten deuten darauf hin, dass die Fabriken in den Kernländern des verarbeitenden Gewerbes der Eurozone im Jahr 2021 ein Rekordtempo vorgelegt haben. Die Analyse zeigt, dass das gesamte Transaktionsvolumen in den Lieferketten der Region im ersten Quartal um 14,5 % gestiegen ist. Auch die deutsche Industrietätigkeit stieg im März auf ein Rekordhoch.
USA
Das Transaktionsvolumen in den USA, das im vierten Quartal um 29 % gestiegen war, hat sich im ersten Quartal mit einem Anstieg von 10,2 % wieder an den weltweiten Durchschnitt angeglichen.
Vereinigtes Königreich
Im Vereinigten Königreich sind die Transaktionsvolumina seit der Pandemie erheblich zurückgegangen, aber es gibt Anzeichen dafür, dass sich die Handelsaktivitäten wieder erholen könnten. Ein Anstieg des Transaktionsvolumens um 6 % in den ersten drei Monaten des Jahres 2021 brachte die Lieferkettenaktivität wieder auf das Niveau vor der Pandemie im ersten Quartal 2020.
China
Die Transaktionsvolumina in den chinesischen Lieferketten waren in der zweiten Hälfte des Jahres 2020 mit einer phänomenalen Rate gewachsen, aber die Daten von Tradeshift deuten auf eine deutliche Verlangsamung seit Anfang 2021 hin. Das Transaktionsvolumen in China ist im zweiten Quartal um 22 % gesunken, das zweite Quartal in Folge, in dem die Aktivität zweistellig zurückgegangen ist.
China bestätigte bereits, dass die Produktionen durch Engpässe in der Lieferkette maßgeblich beeinflusst wurden.
Nachtrag Oktober 2021: Eine akute Stromkrise in China belastet globale Lieferketten zusätzlich. Ganze chinesische Industriestädte müssen auf Grund einer Verknappung von Kohle, steigenden Kohlepreisen und Klimazielen des Landes den Strom rationieren. Die Folge: zahlreiche Produktionen stehen vorläufig still.
Digitalisierung in der Lieferkette gefragter denn je
Vor einem Jahr hat ein noch nie dagewesenes Ereignis die globalen Lieferketten in Aufruhr versetzt: Produktionen standen still, der Suez-Kanal war für eine gravierende Zeit blockiert, eine wichtige Semiconductor-Fabrik brannte in Japan nieder, ein weltweiter Rohstoffmangel setzte sich in Gang. Aber heute sorgt eine noch nie dagewesene Erholung für weitere Störungen. Der Mangel an Transparenz in den Lieferketten macht sie extrem anfällig für Schwankungen. Die Digitalisierung wird als eine Möglichkeit gesehen, widerstandsfähigere, kollaborative Lieferketten aufzubauen. Einkäufern und Lieferanten muss zukünftig eine gleichwertige Transparenz geboten werden. Zwar seien laut Tradeshift die großen Einkäufer verständlicherweise sehr daran interessiert, aus dem aktuellen Nachfrageschub Kapital zu schlagen, aber wenn die Lieferanten die Rechnung nicht bezahlen können, würde das gesamte System unter Druck geraten.
Fazit
Die jüngsten Daten zeigen, wie schnell sich externe Faktoren auf die gesamte Dynamik auswirken können. Die Pandemie setzte die globalen Lieferketten so sehr in Aufruhr, dass die Wirtschaft sich nur sehr langsam erholte. Nun ist die Nachfrage enorm groß und die Auftragsbücher sind voll. Es kann noch nicht vorhergesehen werden, wie sich die Lage im Jahr 2021 weiter entwickeln wird. Fest steht: In nächster Zeit kommt es weiterhin zu Unterbrechungen und Engpässen, was auf Grund mehrerer Ursachen zurückzuführen ist.