Stellen Sie sich vor Ihr Nachbar kommt auf Sie zu und erzählt Ihnen ganz stolz, dass er, seine Frau und seine Kinder jetzt Carsharing betreiben und zwar mit dem eigenen Familienauto. Wahrscheinlich würden Sie denken, dass er sein Fahrzeug anderen Nutzern außerhalb der Familie zu Nutzung gegen ein Entgelt überlassen würde. Nein, weit gefehlt, er „teile“ das Auto nur innerhalb der Familie. Was wäre Ihre Reaktion? Vorausgesetzt Sie würden nicht gleich die Medikation Ihres Nachbarn auf Korrektheit überprüfen, würden Sie Ihn wahrscheinlich fragen warum er das jetzt Carsharing nennt, was vornehmlich eine ganz normale Nutzung eines Familienautos ist. Ähnlich sieht es mit dem Begriff Corporate Carsharing aus.
Den Pool-Fuhrpark besser auslasten
Corporate Carsharing, heißt übersetzt „betriebliches Fahrzeug teilen“. Würden wir diese Namensgebung auf das obige Beispiel projizieren, dann hieße die Nutzung eines Familienautos auch „Intrafamiliäres Carsharing“ also Carsharing innerhalb der Familie. Das klingt nach Blödsinn? Das ist Blödsinn. Und genau deswegen funktioniert auch Corporate Carsharing nicht.
Die Grundidee einer Sharing Economy ist die bessere Ressourcenausnutzung. Das ist ökonomisch, wie ökologisch sinnvoll, das ändert aber nichts daran, dass Poolfahrzeuge im betrieblichen Umfeld genau wie private Fahrzeuge im Schnitt zwischen 1 und 2 Stunden pro Tag fahren und zwischen 22 und 23 Stunden pro Tag stehen. Um also eine höhere Auslastung der Fahrzeuge zu erhalten, muss man schlicht mehr Nutzer an dem System beteiligen, und das ist vielleicht das Hauptproblem.
Sharing richtig verstehen – Kosten reduzieren
Die Idee des Corporate Carsharing selbst ist simpel, die Idee ist sogar brillant. Ein Unternehmen hat einen Fahrzeugpool vor dem Haus, in der Tiefgarage oder im Parkhaus stehen. Die Mitarbeiter können sich per App die Firmenfahrzeuge reservieren, die Fahrzeuge öffnen und ihre Dienstfahrten antreten.
Im elektronischen Buchungssystem werden die Abteilungen, Kostenstellen und Projekte hinterlegt, um die Kosten für diese Dienstfahrt projektgetreu verbuchen und eventuell an den Kunden weiter fakturieren zu können. Der Mitarbeiter gibt nach getaner Arbeit das Fahrzeug wieder zurück und das Fahrzeug steht dem nächsten Nutzer zur Verfügung.
Am Wochenende und nach Feierabend können die Mitarbeiter des Unternehmens die Fahrzeuge auf ihre private Rechnung mieten, so dass dem Einkauf bei IKEA nichts entgegensteht und man den heiß ersehnten Schrank gleich mitnehmen kann, obwohl man privat kein Auto oder ein zu kleines Fahrzeug hat. So trägt der Mitarbeiter auch noch dazu bei, die Standkosten des Fahrzeugpools zu verringern und er leistet einen positiven Deckungsbeitrag zu den Fixkosten des Unternehmenspools.
Ökonomisch eine Riesen-Idee. Mobilität die günstig, prozessoptimiert und digital ist. Nicht mal eine Schlüsselverwaltung muss händisch betrieben werden. Ökologisch auch ganz fantastisch, weil durch das Teilen Produktionsressourcen gespart, Amortisationen optimiert, der Straßenverkehr entlastet und selbst die Anzahl der Parkplätze (also die Versieglung von Naturflächen) verringert werden. Der Mitarbeiter profitiert von seinem tollen Arbeitgeber und fährt in seinem CCS-Auto glücklich und zufrieden in den Sonnenuntergang.
Unternehmen lieben Carsharing
Herrlich! Ein Bild aus einer Zukunft in der Unternehmen und Privatpersonen rücksichtsvoll und sinnvoll die Errungenschaften der Menschheit nutzen. Mindestens eine Win-Win-Win-Situation. Einzig, es funktioniert nicht.
Es funktioniert nicht, und das ist leider wahr. Die Anzahl an Unternehmen in Deutschland, die einen Fahrzeugpool nach oben beschriebenem Muster betreiben, ist klein. Dabei ist die abgefragte Nutzungsbereitschaft durchaus so verteilt, dass einem erfolgreichen CCS-Modell nichts entgegenstünde, wie eine Studie aus dem Jahr 2016 unter 918 Befragten verdeutlicht.
Carsharing größer denken
Nun, ist das vielleicht einer der Grundfehler, die bei diesem Thema begangen werden. Wer vom Teilen spricht, sollte vielleicht nicht nur an sich selber denken. Teilen lebt davon, dass man es mit anderen gemeinsam tut. Wenn ein Unternehmen in einem Gewerbegebiet ansässig ist und es vielleicht 3 Poolfahrzeuge betreibt, dann könnte es ja sein, dass der Nachbar das Gleiche macht, und dessen Nachbar auch, und so weiter und so fort. Würden die Anwohner der Gewerbegebiete sich zusammentun und ihren Pool gemeinsam betrachten, so würde man eventuell über bereits 15 Poolfahrzeuge sprechen, die man gemeinsam verwalten und nutzen könnte.
Es ist doch absurd, dass wir über ein Instrument der Sharing-Economy sprechen und den Grundgedanken außen vorlassen. Wir denken nur in unserem eigenen Nutzungsumfeld und vergessen dabei, dass der Nachbar das gleiche Problem hat. Der Witz ist doch gerade beim Teilen, dass man möglichst viele an der Nutzung einer Ressource beteiligt. Somit ist im Namen „Corporate Carsharing“, also „unternehmenseigenes Autoteilen“ bereits der Webfehler enthalten.
Vielleicht sollten wir einfach wieder von Carsharing sprechen und es mit unseren Nachbarn mal gemeinsam versuchen.
Foto von Matheus Bertelli von Pexels
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Sie sind neugierig, wie es weitergeht? Kein Problem! Warum Carsharing als Brücke in die E‑Mobilität anzusehen ist, erfahren Sie im zweiten Teil. Im dritten Teil erfahren Sie, wie Corporate Carsharing durch ein Mobilitätsbudget realisiert werden kann. Jetzt reinlesen oder sich über unsere Fuhrparkoptimierung in Ihrem Unternehmen informieren!