Aktuell existiert ein großer Mangel an qualifizierten LKW-Fahrenden, denn diese verlassen zunehmend die Branche und suchen nach Tätigkeiten, die bessere Bezahlungen und Arbeitsbedingungen bieten. Viele sind mit Lebensstil, den das Fahren eines LKWs unter heutigen Bedingungen bietet, nicht zufrieden. Aber wer kann ihnen das verdenken? Im Beitrag schauen wir uns das Problem fehlender LKW-Fahrenden genauer an.
Warum gibt es weniger Berufskraftfahrer:innen?
Fahrten bei schlechtem Wetter, vollen Straßen, , Lieferungen in schlecht zu erreichende Gebiete – in Kombination von mehrtätigen Reisetagen fern von Familie und Freunden und das bei langen Fahr- und Stauzeiten.
Das sind nur einige von vielen Gründen, warum es in Deutschland zunehmend weniger LKW-Fahrende gibt. Im Grunde gibt es ein markantes Problem: Viele Berufskraftfahrende stehen kurz vor der Rente, doch der Nachwuchs wird aus mangelndem Interesse an der Ausführung dieser Berufstätigkeit immer weniger.
Personal wird älter, der Nachwuchs weniger
Bereits 2017 machten einige Quellen bereits auf die Notlage der LKW-Branche aufmerksam. In Deutschland fehlen viele LKW-Fahrer:innen und das Defizit wächst mit allen Fahrenden, die in Rente gehen. Im Jahr 2021 waren 480.000 Berufskraftfahrende in Deutschland beschäftigt. Etwa 35 Prozent dieser sind älter als 55 Jahre und gehen innerhalb der nächsten zehn Jahre in Rente (Quelle: Destasis)
Wie fragil der zukünftige Ausfall dieser, bei gleichbleibend geringem Nachwuchs, für die Wirtschaft sein könnte, hat das Beispiel BREXIT bereits gezeigt. Dort mussten etwa 20.000 osteuropäische Fahrende Großbritannien verlassen. Leere Supermarktregale und fehlende Treibstoffe an Tankstellen waren die Folge.
Fehlendes Interesse für den Beruf Kraftfahrer*in
Wie zuvor bereits angedeutet, interessieren sich immer weniger für den Beruf des Kraftfahrerenden.
Die Gründe:
- Niedrige Bezahlung
- Mangel an Wertschätzung und Respekt
- Rahmenbedingungen
Niedrige Bezahlung
Wenn zu dem wenig wünschenswerten und attraktiv gestalteten Lebensstil die schlechte Bezahlung hinzukommt, ist das für Nachwuchskräfte genug Anlass, sich nach einer neuen bzw. anderen Karriere umzusehen. Die Lebenshaltungskosten sind stark gestiegen, die Vollzeit-Löhne hingegen lassen zu Wünschen übrig. Laut statistischem Bundesamt verdienten Berufskraftfahrende monatlich zwischen 2313 und 2623 Euro brutto. Im wirtschaftlichen Durchschnitt etwa 500 Euro weniger und viel zu wenig bzgl. der aktuell steigenden Kosten für Lebensmittel und Wohnraum.
Mangel an Wertschätzung und Respekt
Der Mangel an Wertschätzung wird jedoch nicht nur durch die unfaire Vergütung ersichtlich. Zahlreiche Autobahnparkplätze verfügen über zu wenige Stellplätze, um Ruhezeiten von mindestens neun Stunden und gelegentlichen Pausen zwischen den Lenkzeiten nachzukommen. Der BGL schätzt die Anzahl fehlender Stellplätze an deutschen Autobahnen auf etwa 40.000. Darüber hinaus sind die Sicherheitsvorkehrungen und die hygienischen Zustände an deutschen Raststätten miserabel.
Rahmenbedingungen
Sobald die Berufskraftfahrenden am Ziel ankommen, warten im schlimmsten Fall bei Verspätungen finanzielle Sanktionen. Oft wird die Annahme der transportierten Ware sogar verweigert. Der Druck der Speditionsunternehmen an das eigene Personal ist daher enorm. Viele Berufskraftfahrende halten sich daher nicht regelmäßig an die vorgeschriebenen Pausen und Ruhezeiten.
Mangel an LKW-Fahrenden existierte bereits vor der Pandemie
Berichte über einen Mangel an LKW-Fahrenden sind demnach nichts Neues, jedoch wurde der Mangel angesichts der sehr greifbaren Unterbrechungen der Lieferkette während der Pandemie in größerem Umfang aufgegriffen. Fotos von leeren Regalen haben die Nachrichten in den vergangenen zwei Jahren überschwemmt.
Der Mangel ist jedoch nicht nur ein deutsches, sondern ein europäisches Problem. Auch in den Nachbarländern wie Polen gibt es einen Personalmangel. Da polnische Berufskraftfahrer:innen in anderen EU-Ländern mehr verdienen als in ihrer Heimat, werden Transporte innerhalb Polens von Kräften aus der Ukraine übernommen.
Nun verschärft der Krieg in der Ukraine den Personalmangel im Transportgewerbe enorm. Laut des Spitzenverbandes der Speditions- und Logistikbranche fallen in Polen rund 100.000 ukrainische LKW-Führer aus. Polnische Spediteure versuchen nun weitestgehend polnische LKW-Fahrer:innen zu rekrutieren, welche wiederum in deutschen Transportbetrieben fehlen werden (Quelle: Der Spiegel). Der Personalmangel wird durch die Ukraine-Krise demnach bekräftigt.
Fazit
Überarbeitetes Personal, schlechte Zukunftsaussichten, schlechte Bezahlung und, aus diesen Gründen, ein allgemeines schlechtes Image treffen gleichzeitig auf eine steigende Nachfrage dank des Transportbooms, den die Industrie 4.0 unabdingbar macht. Denn, wie der Online-Handel heute zeigt, verändert die Digitalisierung die Ansprüche der Kunden. Diese verlangen von der Logistik immer mehr Flexibilität. Just in time, zu jeder Zeit.
Die Politik und die Speditionen müssen die Arbeitsbedingungen für Berufskraftfahrende attraktiver gestalten.
Ein fortwährender Personalmangel wird zukünftig Frachtraumengpässe, einbrechende Service-Level, lange Wartezeiten und hohe Transportkosten verursachen. Dies wird somit einen Einfluss von Disponenten bis zu Endkunden und ‑kundinnen mit sich bringen, sodass die gesamte Logistikkette zu verschieben droht.