In einer erst kürzlich erschienenen Studie des Center for Sustainable Logistics and Supply Chain (CSLS) der Kühne Logistics University stellte sich heraus, dass der Dekarbonisierungsprozess der Logistik innerhalb Europas einen positiven Entwicklungstrend verzeichnet. Unter Dekarbonisierung versteht man die Reduzierung von CO₂-Emissionen durch den Einsatz kohlenstoffarmer Energiequellen. Die Kühne Logistics University (Hamburg) betreibt ein eigenes Forschungszentrum für nachhaltige Logistik und Lieferketten.
Der Bericht fasst die Ergebnisse einer Umfrage unter mehr als 90 leitenden Führungskräften zusammen, um zu ermitteln, inwiefern die befragten Unternehmen ihre Logistikprozesse zur Verbesserung der ökologischen Nachhaltigkeit, hauptsächlich im Hinblick der Reduzierung der CO₂-Emissionen, gestalten.
Hintergrund: Logistikprozesse sind weltweit für etwa 10–11 % der gesamten CO₂-Emissionen verantwortlich.
Bisher konnten die logistischen Aktivitäten nur schwer dekarbonisiert werden. Sie werden von großen und kleinen Unternehmen in allen Industriezweigen durchgeführt, was den Dekarbonisierungsprozess der Logistik in der Wirtschaft fest verdrahtet. Dies macht es schwierig, einen Überblick über diesen Prozess zu bekommen und zu bestimmen, ob er in einem Tempo voranschreitet, das die geforderten Emissionsreduzierungen bis 2030 und darüber hinaus vorsieht.
Nun stellt sich die Frage: Welche Erkenntnisse konnte man aus der Studie gewinnen?
Ergebnisse der Studie
Wie bereits erwähnt waren 90 leitende Führungskräfte Teil der Befragung. Insgesamt 30 % der befragten Unternehmen gelten als ‚führend‘ in der nachhaltigen Logistik. Diese hatten entsprechende Strategien und Umsetzungen bereits integriert, sich CO₂-Reduzierungsziele gesetzt und messen ihre Emissionen bereits auf einer disaggregierten Ebene.
Digitalisierung verzeichnet starken Trend
Ganze drei Viertel der Befragten gehen davon aus, dass die Digitalisierung in den nächsten fünf Jahren einen transformativen Einfluss auf die Logistik haben wird. Verbesserungen der Transparenz in der Lieferkette, Fortschritte bei Transportmanagementsystemen, Innovationen bei der Routenplanung von Fahrzeugen und Online-Logistikplattformen werden voraussichtlich den größten IT-Beitrag zur Dekarbonisierung der Logistik leisten.
CO₂ reduzieren und Kosten senken? Das geht!
Bei der Dekarboniserung im Unternehmen stehen ökologische und kommerzielle Ziele stets auf einer Ebene. Umso erfreulicher ist es, dass rund 40 % der Befragten – davon 60 % in führenden Unternehmen – angaben, dass die Hälfte, wenn nicht sogar mehr, der CO₂-reduzierenden Maßnahmen auch die Kosten senken.
Dabei wurden folgende 3 besonders kosteneffektive Maßnahmen genannt:
- Frachtverlagerung von der Straße auf die Schienen
- Verbesserung der Fahrzeugauslastung und Verlagerung der Transporte
- Umstellung auf erneuerbare Energien
Bei dem Aspekt der Kostensenkung sollten alle Unternehmen, die bisher noch nicht über eine Umstrukturierung ihrer Prozesse nachgedacht haben, spätestens jetzt aufhorchen.
Corona – kein Hindernis
Die Umfrage ergab des weiteren, dass die Corona-Krise keine negativen Auswirkung auf die Bemühungen der Unternehmen zur Dekarbonisierung ihrer Logistik aufweist – im Gegenteil. Etwa 70 % der Befragten, davon 78 % in einem führenden Unternehmen, gaben an, dass die Pandemie entweder gar keine oder sogar positive Auswirkungen auf ihre Bemühung hatte.
Nach wie vor starke Hindernisse
Trotz der allgemeinen Akzeptanz, dass eine Netto-Null-Logistik eine viel stärkere gemeinsame Nutzung von Logistikanlagen erfordert, berichteten die Befragten, dass mehrere Hindernisse die logistische Zusammenarbeit immer noch behindern. Dazu gehören Wettbewerbsdruck, Datenschutzbedenken, die Managementkultur und mangelndes Vertrauen.
Fehlende Kenntnisse zählten ebenfalls zu den genannten Hindernissen. Hier sind sich die Befragten in einem Punkt besonders einig: Um logistische Prozesse umweltfreundlicher zu gestalten, sind weitere Beratungen und Schulungen notwendig.
Fazit
Allgemeine Erkenntnisse ergaben, dass der Dekarbonisierungsprozess in der Logistik weit im Gange ist und in die strategische Planung und Prozesse vieler Unternehmen bereits integriert wird. Allerdings befinden sich zwischen einem Viertel und ein Drittel der Unternehmen noch in einem frühen Stadium dieses Prozesses.
Beispiel: Stora Enso
Stora Enso, einer der größten europäischen Papier- und Verpackungshersteller, untersuchte im Jahr 2019, wie die eigene Logistik im italienischen Markt verbessert werden konnte. Die Verbesserungen zielten auf Servicequalität für Kunden im Hinblick auf Lieferzuverlässigkeit, Kosten und Klimaneutralität.
Es entstand ein zentrales Drehkreuz, genauer gesagt ein zentraler Standort im Norden Italiens, welches zu wirtschaftlichen und ökologischen Verbesserungen führte:
- Angliederung an Gütertransportlösungen
- Bestand näher am Markt
- Reduzierung des CO₂-Fußabdruckes
- Entstehung einer verlässlichen Liefergarantie
- Beschleunigung der Kundenabrufe
Ein weiteres Unternehmen, welches an der Umfrage teilnahm, war der Logistikriese Kühne+Nagel, über dessen erste CO₂-neutrale Luftfrachtlinie wir zuvor berichteten.
Über die Dringlichkeit jetzt zu handeln!
Für Unternehmen sollte es oberste Priorität haben, spätestens jetzt Verantwortung zu übernehmen. Schließlich sind sie direkt oder indirekt für den größten Teil der globalen Emissionen und für die meisten Schäden an Ökosystemen verantwortlich. Gleichzeitig sollte der Klimaschutz ihrem kommerziellen Interesse (vgl. Kostensparen etc.) gleichkommen, die Umwelt zu erhalten. Klimaschutz ist darüber hinaus auch weit mehr als eine ethische Verpflichtung für Unternehmen.
Extreme Wetterereignisse, die mit dem Klimawandel zusammenhängen, kosten die Weltwirtschaft schätzungsweise 195 Milliarden Dollar pro Jahr – eine Zahl, die jährlich besorgniserregend um 20 % steigt (vgl. Studie Kühne Logistics University).
Umso weniger überraschend ist es, dass sich das Engagement der Regierungen und Unternehmen im Kampf gegen den Klimawandel enorm verändert hat. Nach dem Pariser Klimaabkommen von 2015, der Ausrufung des Klimanotstands und der kürzlich gestarteten Initiative „Race to Zero” wird die Bedrohung heute viel ernster genommen. Mehr als 110 Länder haben sich nun dazu verpflichtet 2050 oder früher kohlenstofffrei zu sein, während der EU Green Deal anstrebt, Europa bis 2050 zum ersten kohlenstoffneutralen Kontinent zu machen. Über 1.100 große Unternehmen haben sich diesem Ziel angeschlossen. Mit großem Schritt geht beispielweise der Versandriese Amazon voran, über dessen Maßnahmen wir im Bericht zuvor informierten.
In Anbetracht dieser jüngsten Entwicklungen ist genau jetzt der richtige Zeitpunkt, um sich in das globale Streben nach einer kohlenstoffarmen Zukunft in der Logistik und im Supply Chain Management einzubringen.