Zunächst schien es, als hätte sich die globale Wirtschaft gut erholt: Erfolgreiche Impfkampagnen trieben die Erholung der Wirtschaft an, die Preise stiegen so an, dass von Deflation keine Rede mehr war und die Aktienmärkte erreichten fast Rekordhöhe. Doch eine Versorgungskrise, die zunächst nur die Verfügbarkeiten von Luxusautos oder Spielekonsolen, unter anderem auf Grund des Mangels an Halbleitern, in Frage stellte, entwickelt sich durch einen Mangel an Energie, Arbeitskräften, Transportmöglichkeiten und weiteren Einflussfaktoren nun in eine sich annähernde Wirtschaftskrise.
Update: Hohe Gas- und Ölpreise belasten Wirtschaftskrise
Update 27.06.2022: Als wären die durch die Corona-Pandemie verursachten Konsequenzen für die globale Wirtschaft nicht gravierend genug, erschwert die Energiekrise, die aus dem aktuellen Ukraine-Krieg resultiert, und die damit verbundene Inflation, die wirtschaftliche Lage zusätzlich. In Europa erreichten die Gaspreise seit März 2022 inzwischen ein Rekordniveau. Unternehmen könnten sich vermutlich schon bald gezwungen sehen, ihre Produktionen auf Grund sehr hoher Preise einer Megawattstunde (MWh) herunterzufahren.
Stromkrise in China begünstigt globale Wirtschaftskrise
Sowohl China als auch das Vereinigte Königreich wurden u.a. durch die unzureichenden Reserven von Erdgas und Erdöl und den damit verbundenen verdoppelten Preisanstieg auf etwa 80 Dollar pro Barrel, überrollt.
Die Tankstellen im Vereinigten Königreich haben keinen Treibstoff mehr und ganze Städte müssen in China auf Grund von Sanktionen als Resultat einer Stromkrise den Strom rationieren, was die Schließung einiger großer und wichtigen Produktionsstätten mit sich zieht.
Viele chinesische Hersteller sehen sich nun gezwungen, die Preise zu erhöhen und die Annahme weiterer Aufträge zu verschieben oder gar abzulehnen. Zuvor entstanden und existieren nach wie vor bereits massive Probleme, die Waren aus China nach Übersee zu liefern. Wie sich das nun auf eine Wirtschaftskrise auswirkt, bleibt noch zu spekulieren.
Ressourcenverfügbarkeit hakt
Die globalen Märkte werden die weitere Verknappung von Textilien, Kunststoffen bis hin zu Maschinenteilen auf Grund der Stromkrise in China zu spüren bekommen.
Doch nicht nur die Stromkrise ist an der Ressourcenverknappung schuld. Wie bereits zuvor in „Halbleiter – was steckt hinter dem Chipmangel?“ berichtet, übersteigt die Nachfrage an Halbleitern seit längerer Zeit und nach wie vor das Angebot.
Kürzlich kündigten Volkswagen, Ford und der Opel-Hersteller Stellantis wegen des Chip-Mangels weitere vorübergehende Schließungen in Deutschland an. Opel schließt ein Werk bis 2022 – die bisher längste Stilllegung dieser Art.
Gravierende Logistikschwierigkeiten
Aber selbst wenn mehr Energie‑, Material- und Fachkräfteressourcen zur Verfügung stünden und die Fabriken mehr Waren in einem Tempo auf Normalniveau herstellen könnten, würde eine einwandfreie Lieferkette letztlich am Transport scheitern: Im Mittelpunkt einer Wirtschaftskrise steht nämlich ebenfalls der Transportengpass und die daraus resultierenden hohen Kosten für Container und Versand.
Dieses Jahr erreichten die Frachtraten Rekordhöhen, was fast alle Exporteure dazu veranlasst, die Preise zu erhöhen und auf Grund der hohen Nachfrage auch Transporte zu streichen. Sämtliche Hersteller, die unter Ressourcenengpässen und gestiegenen Rohstoff- und Energiekosten leiden, sind nun gezwungen, um Schiffplätze und Container zu bieten.
Diese Schwierigkeiten in der Lieferkette, die eigentlich nur vorübergehend sein sollten, scheinen demnach, als würde diese weit ins nächste Jahr andauern.
Insgesamt erreicht das Welthandelsvolumen im ersten Halbjahr des Jahres 2021 einen Anstieg um 1 %. Im Zeitraum vor der Pandemie (Januar bis Juni 2019) stieg das monatliche Handelsvolumen nur um 0,1 %. Der rasante Anstieg hat gleich zwei beunruhigende Folgen: hohe Transportkosten und eine lange Reisedauer der Frachten.
Hohe Transportkosten
Der Schifffahrtsindex von Drewry, der die Kosten für Container misst, ist im Vergleich zum Vorjahr um 291 % gestiegen. Auf einigen viel befahrenen Routen, wie z.B. von Asien nach Europa, sind die Kosten für den Versand eines Containers etwa zehnmal so hoch wie im Mai vergangenen Jahres. Gleichzeitig haben sich die Kosten von Shanghai nach Los Angeles versechsfacht.
Die Kosten für den Versand von Nordamerika nach China sind um das Zwei- bis Dreifache gestiegen. Allerdings haben sich die Frachtkosten von der USA nach Europa nur kaum verändert.
Lange Reisedauer der Frachten
Die größten Häfen in Südkalifornien, in Los Angeles und Long Beach, das Nadelöhr der wichtigsten Transportroute zwischen der USA und China, verzeichneten im September 2021 einen Stau von etwa 75 Containerschiffen. Aber auch an anderen Küsten kommt es zu Engpassen. So lagen in Savanah, im Osten der USA, in den vergangenen Wochen 26 Schiffe auf dem Atlantik still.
Das führte unter anderem dazu, dass sich die Reisezeit eines Containers zwischen China und der USA hat sich Schätzungen zufolge um mehr als 80 % verlängerte. Hinzu kommt, dass das Containeraufkommen dieser Transportroute in den ersten 7 Monaten im Jahr 2021 um fast 25 % gestiegen ist.
Fachkräftemangel erschwert die Situation
Wenn die Waren im Hafen ankommen, hören die Probleme jedoch nicht auf, denn der Fachkräftemangel stellt eine weitere Ursache einer bevorstehenden Wirtschaftskrise dar. Große Verzögerungen beim Entladen von Containerschiffen lassen sich bspw. in der USA auf einen Fachkräftemangel rückführen.
Der Mangel an LKW-Fahrenden – ein Problem, das bereits vor der Pandemie bestand, sich nun aber noch verschlimmert hat, bedeutet einfach gesagt, dass die Waren von den Häfen nicht zu den Lagerhäusern gelangen und schließlich nicht den Weg zu den Einzelhändlern und Endverbrauchenden finden.
Pandemie- und trendbedingt
Wirtschaftsstillstände und Gesundheitsvorschriften haben es vielen Unternehmen schwer gemacht, Mitarbeitende zu halten. Das betrifft auch die Versorgungskette, z. B. in Häfen, Lagerhäusern und in der Fertigungsindustrie. Das ist natürlich zum Teil auf die Pandemie zurückzuführen, allerdings stand die Branche auch zuvor auf der Kippe. Viele junge Arbeitskräfte zeigten kein großes Interesse, diese Art von Beschäftigung zu verfolgen. Nun kann den Beschäftigten in der Lieferkette ein Adjektiv verliehen werden: unverzichtbar.
Alle Logistikbereiche von Fachkräftemangel betroffen
Gar nicht allzu lange her prognostizierte man, dass Fachleuchte für digitale Logistik rar, aber auf Grund der Einführungen innovativer Logistiklösungen, so gefragt wie noch nie sind. Seit Beginn der Pandemie scheitert es demnach bereits an der Ausführung der Basis logistischer Prozesse.
Die Rückkehr in die Normalität nach der Pandemie, die Einstellung neuer Fachkräfte und ein besserer Einsatz der Automatisierung in Häfen, Fabriken und Lagerhäusern ist ein Großteil einer langfristigen Antwort. Davon sind wir heute jedoch weit entfernt!
Planungsschwierigkeiten in der Transportlogistik
Hinzu kommt ein weiteres Problem. Das gesamte Logistik-Personal ist überfordert und überarbeitet. Massive Planungsschwierigkeiten, verzerrte und lange Schichten auf Grund oben genannter Gründe, wie die sich anstauende Transportlogistik und fehlende qualifizierte Kollegen und Kolleginnen, stellen alle täglich vor neue Herausforderungen. Diese Herausforderung verstärkte die Notwendigkeit langfristiger digitaler KI-basierte Logistiklösungen.
Fazit: Wirtschaftskrise 2022?
Sowohl auf Grund des Energiemangels, des Fachkräftemangels als auch der Transportengpässe, kann, zusammen mit den einhaltenden Einschränkungen im Zusammenhang mit der Pandemie und dem nachweislichen Mangel an Halbleitern, einfach nicht genug und schnell produziert werden. Und wie Sie sehen, bedingt die eine Herausforderung die nächste.
Auch eine veränderte Vorratshaltung von akut begrenzten Ressourcen der Unternehmen aus der Fertigungsindustrie verzerren die aktuelle Wirtschaftslage. Hinzu kommt der massive Nachholbedarf der Verbrauchenden infolge der Pandemie, denn die VerbraucherInnen sind verrückt danach Dinge zu kaufen, was aus höheren Ersparnissen und der aufgestauten Nachfrage insbesondere nach Unterhaltungselektronik resultiert.
Eine hohe Nachfrage und ein akutes begrenztes Angebot reichen der Inflation demnach die Hand. Wenn man alle Faktoren zusammennimmt, steuern wir auf eine echte Wirtschaftskrise 2022 zu.