Zuletzt berichteten wir über den weltweiten Rohstoffmangel und den daraus resultierenden Preisanstieg. Verbraucher sehen sich unter anderem mit Preiserhöhungen und Engpässen bei Produkten von Fernsehern und Mobiltelefonen bis hin zu Autos und Spielekonsolen konfrontiert, da ein globaler Halbleitermangel zunimmt. Während die Halbleiter-Chips selbst widerstandsfähig sind und extreme Temperaturen, Vibrationen und andere äußere Erschütterungen aushalten, ist die Lieferkette für Halbleiter aktuell ins Stocken geraten.
Ursprünglich handelt es sich bei dem Halbleitermangel nur um eine vorübergehende Verzögerung der Lieferung, da die Produktionsstätten geschlossen wurden, als die Pandemie ausbrach. Doch, obwohl sich die Produktion inzwischen normalisiert hat, bedeutet der neue Nachfrageschub, der durch die veränderten Gewohnheiten infolge der Pandemie ausgelöst wurde, dass das Problem nun einen neuen Krisenpunkt erreicht hat. Die Nachfrage nach Chips übersteigt weiterhin das Angebot und die Autohersteller sind nicht mehr die einzigen Unternehmen, die den Druck spüren.
Was sind Halbleiter und wozu werden sie benötigt?
Update 28.02.22: Wie bereits im Jahr 2021 sorgen Halbleiterengpässe auch im Jahr 2022 für Rekordtiefen. Der EU-Neuwagenmarkt verzeichnete zum Auftakt des neuen Jahres einen großen Rückgang. Im Vergleich zum Vorjahr liegt der Rückgang an zugelassenen Neufahrzeugen bei 6 %, wobei die Verkaufszahlen im Januar 2021 auf Grund der Pandemie bereits stark zurückgegangen waren.
Der Halbleitermangel wird sich wohl in diesem Jahr nicht mehr erholen. Mit fatalen Folgen, denn die Diskrepanz von Angebot und Nachfrage an Chips nimmt rasant zu. Eine schnelle Ausweitung der Produktion ist daher kaum möglich. Hinzu kommen weitere Produktionspausen auf Grund des Klimawandels. Laut Automobil Industrie benötige der drittgrößte Halbleiter-Hersteller aus Taiwan 156.000 Tonnen Wasser pro Tag. Aktuell wird das Land auf Grund andauernder Dürreperioden jedoch vor Herausforderung gestellt.
Update Februar 2022 – Halbleiterengpässe bestehen weiterhin
Halbleiter, auch bekannt als Mikrochips und integrierte Schaltkreise (ICs), sind wesentliche Komponenten in jedem Elektronikprodukt, sei es eine einfache Fernbedienung zum Wechseln der Kanäle am Fernseher oder ein Supercomputer, der zur komplexen Simulation verwendet wird.
Auch in unseren, teils banalen Alltagsgegenständen sind Halbleiter verbaut. Die Produktion von Prozessoren mit geringer Gewinnspanne, wie z.B. solche, die zum Wiegen von Wäsche in einer Waschmaschine oder zum Toasten von Brot in einem intelligenten Toaster verwendet werden, ist ebenfalls betroffen. Während die meisten Einzelhändler im Moment noch in der Lage sind, diese Produkte zu beschaffen, könnten sie in den kommenden Monaten Probleme bekommen.
Warum gibt es keine Halbleiter mehr?
Autohersteller, die in techniklastige Elektrofahrzeuge investieren, der Boom beim Verkauf von Fernseher und Heimcomputer, sowie die Einführung neuer Unterhaltungselektronik und 5G-fähiger Mobiltelefone haben die Nachfrage angekurbelt.
Die Kombination aus kurzfristigen und langfristigen Faktoren, sowohl auf der Angebots- als auch auf der Nachfrageseite, kann als Grund für den Halbleitermangel genannt werden. Der kurzfristige Faktor ist natürlich die Pandemie. Verkäufe wurden zurückgezogen, Produktionen konnten nicht aufrechterhalten werden und Autohersteller, die ihre Chipbestellungen im letzten Jahr auf Grund sinkender Fahrzeugverkäufe reduzierten, fanden sich am Ende der Warteschlange wieder, als sie versuchten, nachzubestellen, als sich der Markt wieder erholte.
Denn währenddessen begannen andere, die auf Grund der Pandemie vor allem viel Zeit zu Hause verbrachten, insbesondere Computer, Spielekonsolen, Handys oder Tablets zu kaufen, um sich von zu Hause aus zu bilden und zu unterhalten. Viele Halbleiter Hersteller fanden demnach neue Abnehmer bzw. größere Abnehmer in der Unterhaltungsindustrie.
Es gibt jedoch noch weitere entscheidende Faktoren: In der Vergangenheit erlebte die Chipindustrie bereits Engpässe. Dabei handelte es sich jedoch nur um Speicherchips. Diesmal betrifft es die gesamte Chipbranche, was bedeutet, dass die Halbleiter-Nachfrage extrem hoch ist. Zum einen werden Halbleiter in viel mehr Produkten verwendet, wie in Autos oder Smartphones. Und jedes Produkt, was Chips verwendet, verwendet in der Regel viel mehr als nur einen Halbleiter.
Es handelt sich also um ein neues Niveau an Nachfrage, mit dem aktuell noch nicht Schritt gehalten werden kann. Fest steht jedoch, dass die Hersteller unmittelbar reagierten, in dem sie die Produktionen hochgefahren haben, wo es möglich war. Die Produktion von Halbleitern ist jedoch sehr komplex und benötigt viel Zeit. Es dauert in der Regel mehr als 3 Monate, um einen Halbleiter in einem komplexen Prozess in hochentwickelten Fabriken herzustellen, sodass die Hersteller die Nachfrage vorhersehen müssen, was sich während der Pandemie jedoch als äußerst schwierig erwies.
Autoindustrie am stärksten betroffen
Die Automobilindustrie, die auf Halbleiter für alles von der Computersteuerung von Motoren bis hin zu Fahrerassistenzsystemen angewiesen ist, ist vom Halbleitermangel immer noch am stärksten betroffen.
Die gesamte Autoindustrie kauft weltweit Chips im Wert von 37 Milliarden Dollar, wobei die größten Unternehmen wie Toyota und Volkswagen jeweils mehr als 4 Milliarden Dollar ausgeben (Quelle: Bloomberg). Unternehmen wie Ford, Volkswagen und Jaguar Land Rover haben Fabriken geschlossen, Arbeiter entlassen und die Produktion von Fahrzeugen herunterfahren müssen.
Laut einem Bericht von Bloomberg verzichten einige Autohersteller auf Grund des Halbleitermangels sogar auf High-End-Funktionen. Nissan lässt beispielsweise Navigationssysteme in Fahrzeugen weg, die normalerweise damit ausgestattet wären. Ram Trucks verzichtet in den 1500er Pickups auf intelligente Rückspiegel, die normalerweise auf tote Winkel achten.
Halbleitermangel bei Unterhaltungselektronik
Sogar das Unternehmen Apple, das mit einem Jahresumsatz von 58 Milliarden Dollar der weltweit größte Abnehmer von Halbleitern ist, musste die Markteinführung des vielgepriesenen iPhone 12 im vergangenen Jahr aufgrund des Halbleitermangels um zwei Monate verschieben.
Das aussagekräftigste Beispiel für die Halbleiterkrise kommt jedoch von Samsung, dem weltweit zweitgrößten Käufer von Chips für seine Produkte nach Apple. Kürzlich gab das Unternehmen bekannt, dass es möglicherweise die Markteinführung des neuen Samsung Galaxy Note 21 aufgrund der Knappheit um ein Jahr verschieben müsse, obwohl Samsung auch der zweitgrößte Halbleiter-Produzent der Welt ist.
Fazit
Die zunehmende Digitalisierung ging in den letzten Jahren Hand in Hand mit der Entwicklung der Halbleitertechnologie, wodurch sich zusätzliche Märkte für diese Chips eröffneten.
Der Halbleitermangel wird wohl noch einige Zeit andauern. Es kann bis zu zwei Jahre dauern, um komplexe Halbleiterproduktionsfabriken in Gang zu bringen. Nun sind die Hersteller dabei, die Preise zum zweiten Mal in weniger als einem Jahr deutlich anzuheben, um die Produktionskapazitäten weiter hochfahren zu können.